giovedì 5 aprile 2018

§ 1. Einleitung. - Karl Brugmann: Griechische Grammatik.

B. Home. HS.
Einleitung.



1. Geschichtliches und Begriffliches. Mit der griechischen Sprache
beschäftigten sich zuerst die Griechen selbst. Die ersten sprachwissen-
schaftlichen Fragen, die man aufwarf, bezogen sich auf das Verhältnis
der Namen zu den Dingen, man stritt, ob zwischen dem Wort und dem
durch dasselbe bezeichneten Gegenstand das Verhältnis einer Naturnot-
wendigkeit (φνσις) bestehe, oder ob dem Wort seine Bedeutung durch
einen willkürlichen Akt der Übereinkunft {d'äaig) beigelegt sei (Plato's
Kratylus). Diese — durch mehrere Jahrhunderte hindurch in den Philo-
sophenschulen erörterte — Streitfrage rief die Disziplin der ετυμολογία ins
Leben, deren Betrieb freilich durch das ganze klassische Altertum hin-
durch ein durchaus dilettantischer geblieben ist.

Von Plato und Aristoteles wurde betont, dass nicht im einzelnen Wort,
sondern nur in der Verbindung der Wörter zum Satz Wahres oder Falsches
liege. Dies führte dazu, dass man die Sprachwissenschaft in den Dienst
der Logik stellte. Man schied die Elemente des Urteils und bestimmte
die Rede- oder Satzteile {μ^'ρη της λέξεως). Das Aufsuchen der letzteren
und Eindringen in ihr Wesen (Aristoteles, Stoiker) bildet den Glanzpunkt
der grammatischen Wissenschaft der Alten.

Aus dem Dienst der Philosophie trat die Sprachforschung vom 3. vor-
christlichen Jahrhundert an in den der Textkritik (alexandrinische Philo-
logie). Beobachtungen über die Sprachformen und ihren Gebrauch bei
den verschiedenen Schriftstellern (Homer etc.) lenkten die Aufmerksamkeit
nachhaltig auf chronologische und dialektische Unterschiede der Sprache,
und wenn es hierbei auch nicht zu einer lebendigen Auffassung der sprach-
lichen Thatsachen und einer sachgemässen Erklärung derselben kam
(Analogisten und Anomalisten), so ging doch aus diesen Studien die Gram-
matik als selbständige Disziplin hervor: des Dionysius Thrax τ^χνη γραμ-
ματική (ca. 100 ν. Chr.). Seinen Abschluss erhielt das grammatische
System durch ApoUonius Dyskolus (2. Jahrh. n. Chr.), der die Syntax als be-
sonderen Teil der Grammatik neben die Formenlehre stellte. Mit seinem
Sohn Herodian, der besondere orthographische und „prosodische** Fragen
behandelte, hörte das selbständige Produzieren der griechischen Sprach-

Handbuch der kUw. AltertumewiMeneoluft. Π, 1. 3 Aufl. 1



2 Grieohieohe Grammatik. Einleitung.

Wissenschaft auf, die nun in winterlicher Dürre bis zur Wiedererweckung
der Wissenschaften in Italien (14. Jahrh.) vegetierte.

Die erstehende Altertumswissenschaft, welche als eine ihrer Haupt-
grundlagen genaue Sprachkenntnis betrachtete, förderte die griechische
Grammatik durch Vermehrung der sprachlichen Observationen und syste-
matische Ordnung des Stoffes. Die Vorstellungen vom Wesen und Leben
der Sprache blieben dabei bis zu unserem Jahrhundert im wesentlichen
dieselben wie in der alexandrinischen Zeit: die Sprache wurde wie ein
toter Mechanismus angesehen, für das Verhältnis der „regelmässigen''
und der „ unregelmässigen " Spracherscheinungen zu einander fand man
keine wissenschaftliche Erklärung und wirtschaftete gerne mit den alt-
tiberkommenen Eunstausdrücken (Pleonasmus, Ellipse, Enallage etc.), die
sich je länger je mehr mit ungesundem, ganz unwissenschaftlichem Oeist
erfüllten.

In unserem Jahrhundert wetteiferten und wetteifern in der Bearbei-
tung der griechischen Sprache zwei Qelehrtengruppen, die klassischen
Philologen und die historisch-komparativen Sprachforscher. Anfangs nur
in lockerer Fühlung mit einander stehend, sind sie sich im Lauf der Zeit,
mit dem Schwinden gewisser Vorurteile auf Seiten der Philologen, immer
näher getreten, und es ist heute eine ausgemachte Sache, dass die wahr-
haft wissenschaftliche Aufgabe der griechischen Grammatik nur durch
ein Zusammenwirken beider zu lösen ist, und dass alle den geschichtlichen
Gang der Sprache betreffenden Fragen nur von solchen, die mit den Re-
sultaten und der Methode der historischen Sprachwissenschaft vertraut
sind, beantwortet werden können. Die Philologen förderten unsere Dis-
ziplin hauptsächlich durch ihre auf Feststellung der sprachlichen That-
sachen gerichtete Forschung, die mit der kritischen Bearbeitung der
Denkmäler Hand in Hand ging, und der die neu erschlossenen QueUen,
vor allem die Inschriften, reiches Material zuführten. Daneben ist zu
betonen, dass der von verschiedenen Seiten her unter den Philologen an-
geregte historische Sinn auch schon vor dem Zusammengehen der Philo-
logen mit den historisch-vergleichenden Sprachforschern der griechischen
Grammatik zu gute kam und z. B. dem gedankenlosen Abthun der Er-
klärung mit Eunstausdrücken Schranken setzte (G. Hermann u. a.). Durch
die historische Sprachforschung, welche zeigte, dass die griechische Sprache
ein Glied der indogermanischen Sprachfamilie bildet, wurde der entwick-
lungsgeschichtliche Gesichtspunkt überall zur Geltung gebracht und nicht
nur ein Ausblick auf die vorgeschichtliche Periode der griechischen Sprache
eröffnet, sondern auch ein wesentlich richtigeres Verständnis für das Ver-
hältnis, in dem die in der historischen Zeit entgegentretenden Sprach-
erscheinungen zu einander standen, und damit für den Entwicklungsgang
der Sprache auch in dieser Periode gewonnen.

Im engsten Zusammenhang mit der Betonung des Begriffs der histo-
rischen Entwicklung steht die Abweisung der unberechtigten Vermischung
der Grammatik, namentlich des syntaktischen Teiles derselben, mit der
Logik. Man hatte sich zu verschiedenen Zeiten dem Irrtum hingegeben,
die Sprache folge denselben Gesetzen, wie das begriffsmässige Denken, die



1. Geeohiohtlioho« und Begriffliche•. (§1.) 3

Kategorien des philosophischen Denkens müssten den sprachlichen Kate-
gorien entsprechen, so dass die Sprache wesentlich nur eine Verkörperung
der Logik sei (Stoiker, Q. Hermann, K. F. Becker). So meisterte man
die Sprache vom Throne der Philosophie herab, statt sich ohne Vorein-
genommenheit in die Natur des üntersuchungsobjekts zu versenken und
diesem seine Gesetze in hingebender nüchterner Forschung abzulauschen.
Ob die sprachlichen Vorgänge mit den Gesetzen der Logik harmonieren
oder nicht, muss dem Grammatiker als solchem gleichgültig sein. £r hat
nur zu fragen: wie ist diese oder jene Erscheinung im Sprachleben über-
haupt möglich geworden ? An die Stelle der logischen Betrachtungsweise
hatte die psychologische zu treten.

und noch zu einer anderen wichtigen Erkenntnis hat die historische
Sprachforschung geführt, einer Erkenntnis, die in den Kreisen der klas-
sischen Philologen auch heute noch nicht überall in der wünschenswerten
Weise gewürdigt ist. Es ist nicht möglich, den Entwicklungsgang einer
Sprache so ohne weiteres an den in chronologischer Ordnung neben ein-
ander gestellten Sprachdenkmälern abzulesen, sondern man muss sich
zuvor über das Wesen der Sprache überhaupt und über die Faktoren,
welche ihre Fortentwicklung in der Geschichte bedingen, gründlich unter-
richtet haben. Nicht das Studium des Sanskrit ist es, was die erste
Grundlage der „sprachwissenschaftlichen'' Ausbildung auszumachen hat,
sondern das Studium der Prinzipienlehre der Sprachwissenschaft, wie sie
ungefähr seit zwei Jahrzehnten von Sprachforschern wie Paul, Wegener,
ScHUCHARDT u. a. gepflegt wird. Hat man an der Hand dieser Prinzipien-
wissenschaft sich von den mannigfachen irrigen Anschauungen befreit,
die das naive Denken erzeugt, und die die Macht vielhundertjähriger Ge-
wohnheit in uns nur allzu sehr befestigt hat (man denke nur an unsere
altüberkommene grammatische Termine- und Phraseologie mit den zahl-
reichen in ihr abgelagerten Verkehrtheiten und überhaupt Unwissenschaft-
lichkeiten!), so kann man den Entwicklungsgang einer Sprache wie der
griechischen schon zum guten Teil richtig beurteilen, auch ohne sich in
andere, dem Spezialphilologen femer liegende Sprachen vertieft zu haben.

Zur Oeaohiohte der griechischen Grammatik vgl. besonders:
Cläbses, De grammaticae Graecae primordiis, 1829. Schoemann, Die Lehre von den
Redeteilen, nach den Alten dargestellt und beurteüt, 1862. Steinthal, Geschichte der
Sprachwissenschaft bei den Griechen und Römern, 2. Aufl. 1890. Benfet, Geschichte der
Sprachwissenschaft und orientalischen Philologie in Deutschland seit dem Anfange des
19. Jahrh. mit einem Rückblick auf die früheren Zeiten, 1869. Bursian, Geschichte der
klassischen Philologie in Deutschland, 1883. Delbrück, Einleitung in das Sprachstudium,
ein Beitrag zur Geschichte und Methodik der vergleichenden Sprachforschung, 3. Aufl. 1893,
und Vergleichende Syntax der indogerm. Sprachen I, 1893, Einleitung. Pezzi, La lingua
greca antica (Breve enciclopedia sistematica di fllologia greca e latina, vol. VI), 1888, p. 2
bis 80.

Heryorragendere zneammenfassende Behandlungen der griechischen Ghram-
matik:

Büttmank, Ausführl. griech. Sprachlehre, Berl. Bd. 1, 1819, 2. Aufl. 1880, Bd. 2,
1825 — 1827, 2. Aufl. von Lobeck 1830. A. Matthiä, Ausführl. griech. Grammatik, Leipz.
2 Teile 1807— -1827, 3. Aufl. 1835. Fr. Thiersch, Griech. Grammatik vorzügl. des homer.
Dialekts, Leipz. 1812, 4. Aufl. 1855. Mehluorn, Griech. Grammatik für Schulen und Stu-
dierende [unvollendet], Halle 1845. R. Kühner, Ausführl. Grammatik der griech. Sprache,
2 Binde, Hannover 1834—35, 2. Aufl. 1869-1870; Elementar- und Formenlehre in neuer
Bearbeitong besorgt von F. Blass, 2 Bde., 1890-1892 [diese Neubearbeitung entspricht

1•



4 GrieohiBOhe Oranunatik. Einleitung.

nur als Materialeammlong den Forderungen der Gegenwart, nicht in der Erkl&ning der
Spracherscheinongen, vgl. Verf., IF. Anz. 1, 15 ff. 6, 50 ff.], Satzlehre in neuer Bearbeitung
besorgt von B. Gerth, 1. Bd., 1898. E. W. Kbüger, Griech. Sprachlehre für Schulen, Berlin
1842--1846, 5. Aufl. 1873-1875. G. Meyer, Griech. Grammatik [ohne Syntax], Leipzig
1880, 3. Aufl. 1896. Pezzi'b oben genanntes Buch La 1. gr. — A. N. Jannaris, An histo-
rical Greek grammar chiefly of the Attic dialect, as written and spoken from classical
antiquity down to the present time, founded upon the ancient texte, inscriptions, papyri and
present populär Greek, Lond. 1897 [für das Altgriechische ungenügend].

In Verbindung mit den verwandten Sprachen ist das Griechische öfters be-
handelt worden. Im Zusammenhang mit allen anderen indogermanischen Sprachen besondere
in folgenden Werken. Bofp, Vergleichende Grammatik des Sanskrit, Zend, Armenischen,
Griechischen, Lateinischen, Litauischen, Altelavischen, Gotischen und Deutschen, 3 Bde.,
3. Ausg. 1868 — 1871. Schleicheb, Compendium der vergleichenden Grammatik der in-
dogerm. Sprachen, 4. Aufl. 1876. Bbugmann und Delbrück, Grundriss der vergleichenden
Grammatik der indogerm. Sprachen. 1. Bd. (Lautlehre) 1886, zweite Bearbeitung 1897, 2. Bd.
(Wortbildungslehre, d. i. Stammbildungs- und Flexionslehre) 1889 — 1892, 3. Bd. (Syntax,
erster Teil) 1898, 4. Bd. (Syntax, zweiter Teil) 1897. Im Zusammenhang mit dem Latei-
nischen besonders in folgenden Werken. L. Meyer, Vergleichende Grammatik der Griechi-
schen und Lateinischen Sprache, 1. Bd. 1861 (2. Aufl. 1884), 2. Bd. 1865. Kino und
CooKsoN, The principles of sound and inflexion as illustrated in the greek and latin languages,
Oxford 1888. Henry, Pr^cis de grammaire compar^e du grec et du latin, Paris 1888, 5. Aufl.
1894. GiLES, Vergleichende Grammatik der Klassischen Sprachen, ein kurzes Handbuch
für Studierende der klassischen Philologie, deutsche Ausg. besorgt von Hbbtel, 1896.

Nessun commento: