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Aus den Vorbemerkungen zur zweiten Auflage (1889) 
.... Eine andere Methode [als in der ersten Auflage] für die Darstellung der Syntax zu wählen, konnte ich mich nicht entachliessen, wenngleich zwei angesehene Kritiker eine solche angewendet sehen möchten. Warum in diesem Teile der Grammatik ein näheres Eingehen in die Mannigfaltigkeit der Erscheinungen von Homer his in die hyzantinische Zeit hinein, mit Berücksichtigung nicht bloss der zeitlichen, sondern auch der mundartlichen 
Verschiedenheiten, ausgeschlossen war, hat bereits der Herausgeber dieses Handbuchs in 
der Vorrede zur ersten Auflage des zweiten Bandes ausgesprochen, und ich möchte über- 
dies folgendes zu erwägen geben. Auch bei gewissenhaftester Benutzung der bis jetzt er- 
schienenen Litteratur zur griechischen Syntax würden sich für einen, der diese letztere 
vollständig vorführen wollte, so viele und so grosse Lücken in der bisherigen Forschung 
ergeben, die er auf Grund eigener Spezialuntersuchungen auszufüllen hätte, dass das, was 
er de suo hinzuthun müsste, gewiss mehr wäre als was er andern entlehnen kann. Wer 
nun dieses zu leisten sich einigermassen im stände fühlt und denmach es übernehmen 
wollte, eine Geschichte der svntaktischen Ausdmcksmittel des Griechischen zu schreiben, 
die sich in Anlage und Ausnlhrung der in diesem Handbuch erschienenen lateinischen 
Syntax an die Seite stellte, dem trete ich für etwaige weitere Auflagen im Interesse der 
Sache das in Rede stehende Kapitel mit Vergnügen ab. Mir blieb, im Hinblick auf meine 
Leistungsfähigkeit und auf den zu Gebote stehenden Raum, nur die Wahl zwischen einer 
sehr lückenhaften und überall äusserst knappen Darstellung des Entwicklungsgangs seit 
Homer und einer Darstellung, die, mit Absehung von dem vielgliedrigen und mannigfaltigen 
Detail, den Anfänger befähigt, den Gesamthabitus der griechischen Syntax wissenschaftlich 
verstehen zu lernen. In jenem Falle hätte ich natürlich auf die Klassiker der Poesie und 
der Prosa hauptsächlich Rücksicht nehmen müssen, und so wäre es nicht möglich gewesen, 
erheblich mehr zu geben, als was jede Schulgrammatik bietet. Daher entschied ich mich 
für das andere. 
Das Interesse derer, die sich in unserer Zeit mit der wissenschaftlichen Grammatik 
der klassischen Sprachen beschäftigen, ist zum Teil ein sehr verschiedenartiges, und ich 
musste bei meiner Darstellung der Geschichte des Griechischen von vornherein darauf ver- 
zichten, den Ansprüchen aller gerecht zu werden. Manchen ist die Grammatik kaum mehr 
als eine Dienerin der Litteraturforschung, in specie der Textkritik. Andere interessiert 
die Sprache in erster Linie durch sich selbst als eine der verschiedenen Bethätigungen des 
Volksgeistes, und ihnen liegt die Erforschung ihrer Gestaltung im Geist und Munde des 
gemeinen Mannes ebenso sehr oder sogar noch mehr am Herzen als die Erforschung der 
schriftstellerisch gepflegten Sprache. Ich gebe nun gerne zu, dass, indem ich in meiner 
Arbeit vor allem die „Naturseite' der Sprache im Auge hatte, ihre „ Kulturseite " in der 
Darstellung nicht zu ihrem Rechte gekommen ist. Aber nicht kann ich finden, dass die 
ganze Weise der Behandlung der griechischen Sprache, weil meine Grammatik dem „Philo- 
logen*, nicht dem „ Linguisten **, dienen soll, eine andere sein musste. Ich kann den Unter- 
schied zwischen einer „philologischen* und einer „sprachwissenschaftlichen* Methode, den 
manche immer noch machen, nicht als berechtigt anerkennen und meine, er würde auch 
heutzutage nicht mehr gemacht, wenn über einen gewissen Kardinalpunkt grössere Klarheit 
herrschte als der Fall ist. Ich erlaube mir auf diesen wegen der Wichtigkeit, die er nach 
meinem Dafürhalten hat, mit ein paar Worten einzugehen. 
Was die heutige Sprachwissenschaft von der älteren unterscheidet, ist vor allem das, 
däee sie sich mit der „Sprachphilosophie* in engere Verbindung gesetzt und es als not- 
yX Vorbemerkungen snr dritten Auflage. 
wendig erkannt hat, ehe man an die Beurteiltmg der einzelnen Erscheinungen einer Sprache 
geht, sich vom Wesen der Sprache überhaupt, von ihren allgemeinen Lebensbedingungen 
und den Faktoren, die ihre Fortentwicklung bestimmen, eine klare Vorstellung gebildet zu 
haben; nur derjenige kann ja die geschichtlichen Thatsachen richtig beurteilen, der das 
Wesen der Erftfte kennt, durch welche sie geschaffen werden. Diese Prinzipienfragen sind 
ftlr den Philologen dieselben wie für den Linguisten, denn das Forschungsobjekt ist das 
gleiche und die Wahrheit ist nur eine. Von der Beschäftigung mit diesen Fragen könnte 
die Philologie dann allein entbunden werden, wenn sie sich in der Grammatik auf ein rein 
mechanisches Stoffsammeln einschränken und sich alles und jedes Raisonnements über das, 
was der Stein oder das Manuskript zu lesen gibt, enthalten wollte. Da die Denkmäler 
nicht die Sprache selbst sind, sondern nur mehr oder minder rohe und unvollkommene 
Abbilder der Sprache, die ja einzig in der Seele der sprechenden Menschen ihre Existenz 
hat, so würde, streng genommen, schon das Übersetzen der Schriftzüge in wirkliche Sprache 
über die Aufgabe des Philologen hinausgehen; denn schon hier treten jene Prinzipienfragen 
in Kraft. Die Zumutung einer solchen Einschränkung auf dem Gebiete der grammatischen 
Forschung würde aber die Philologie von sich weisen, und mit Recht. Auch die Philo- 
logie hat es als eine ihrer Aufgaben anzusehen, den Kausalzusammenhang der gegebenen 
Spracherscheinungen zu erforschen und die Entwicklungsgesetze festzusteUen. Wenn nun 
heute so oft Philologen sich mit Sprachforschem über diese oder jene grammatische Frage 
nicht zu verständigen vermögen, so liegt das zum guten Teile daran, dass die Grund- 
anschauungen verschiedene sind, dass der Philologe oft noch zu sehr an der altüberkommenen 
Betrachtungsweise hängt, die von einem mehr naiven als wissenschaftlichen Nachdenken 
über das Wesen der Sprache hervorgerufen wurde und sich nicht bloss in der traditionellen 
grammatischen Terminologie forterbt. Die Verständigung muss also dadurch herbeigeführt 
werden, dass man auch philologischerseits zunächst den allgemeinen theoretischen Fragen 
die nötige Aufmerksamkeit zuwendet. Freilich wird mir hier der eine oder andere Philo- 
loge einwenden: unter euch Sprachforschem selbst, denen die Beschäftigung mit dieser 
Prinzipienwissenschaft doch zuvörderst obliegt, herrscht ja heute noch die grösste Uneinig- 
keit. Nun, das würde zunächst nicht rechtfertigen, dass man solchen Anschauungen, die 
unzweifelhaft falsch, die von der gesamten Sprachwissenschaft längst als unrichtig erkannt 
und bezeichnet sind, in der Philologie eine Fortexistenz gewährt, wie sich deren z. B. in 
der als Stoffsammlung (leider eben nur als solcher) mustergültigen und auch von uns dank- 
barst benutzten Grammatik der attischen Inschriften von Mbisterhans (2. Aufl. 1888) viel- 
fach finden. Und was die angebliche Uneinigkeit unter den Linguisten betrifft, so ist 
Thatsache, dass seit Bestand der indogermanischen Sprachwissenschaft in sachlicher Be- 
ziehung niemals eine so grosse Einhelligkeit gewesen ist als gerade heute, sowohl was die 
allgemeinen, als auch was die Einzelfragen betrifft! Kann also die Abkehr so mancher 
Philologen von den Grundfragen der Sprachwissenschaft auf diese Weise nicht gerecht- 
fertigt werden, so sehe ich nicht, wie es sonst geschehen könnte. Die klassische Philologie 
und die Sprachwissenschaft sind einander von Jahrzehnt zu Jahrzehnt näher gerückt, und 
sollte man sich von der Richtigkeit des gesagten überzeugen und dieser Überzeugung auch 
praktische Folge geben, so ist, so viel ich sehe, die letzte Schranke gefallen, die beide 
Disziplinen noch trennt. Es wird dann niemand mehr von einer Verschiedenheit und einem 
Gegensatz der Wissenschaft selbst reden, sondern nur noch von einer Arbeitsteilung, 
wie sie das Mass der Arbeitskraft des einzelnen allerdings verlangt und wie sie voraus- 
sichtlich immer muss bestehen bleiben. 
Vorbemerkungen zur dritten Auflage. 
Wie mir für die zweite Auflage dieses Abrisses eine erheblich grössere Bogenzahl 
zur Verfügung stand als für die erste Auflage, so stellt sich diese dritte Auflage wieder 
als eine bedeutende Erweiterung der zweiten dar. Und auch sie sieht wiederum ihre Haupt- 
aufgabe nicht darin, das Material in möglichster Vollständigkeit zusanmienzustellen, auf 
Grund dessen eine Darstellung der Geschichte der altgriechischen Sprache möglich ist, 
sondern darin, zu einer wissenschaftlichen Erfassung und Erklärung der überlieferten Sprach- 
erscheinungen anzuleiten, wie sie durch den gegenwärtigen Stand der Sprachforschung ge- 
fordert und ermöglicht ist. Diesen Standpunkt auch in dieser Neubearbeitung einzunehmen 
bestimmte mich nicht etwa bloss die besondere Richtung meiner Sprachstudien, sondern 
vor allem die Erwägung, dass wir nach der statistisch-deskriptiven Seite hin durch die be- 
kannten Granmiatiken von Kühner-Blass-Gertu, G. Meter, Monro, van Leeuwen und 
Mbistsbbaks sowie durch die zusammenfassenden Werke über die griechischen Dialekte von 
Vorbemerknngen snr dritten Auflage. 
VII 
Mbistkb, Hoffmann und Smyth fCü: jetzt ausreichend versorgt sind, während ffSuc die Be- 
kanntmachung der entwicklungsgeecnichtlichen Forschungen, insbesondere der die Laut- 
und die Formenlehre betreffenden, und fOr die Verbreitung richtiger Anschauungen von 
Sprachgeschichte überhaupt im Kreise der klassischen Philologen immer noch viel zu thun 
bleibt.^) Ee gilt auch heute noch, die Klage mancher Philologen darüber, dass die Arbeiten 
der Sprachforscher allzu esoterischen Charakter trügen, dass die Sprachforscher den Zutritt 
zu ihren Untersuchungen den Philologen nicht genügend erleichterten, und wie man sich 
sonst ausgedrückt hat, möglichst gegenstandlos zu machen. Dass die Q. MsYER'sche 
Grammatik nach dieser Richtung hin nicht ausreichen kann, ist klar: sie hat. zumal in 
der 3. Auflage, in der Stoffsammlung ihren Schwerpunkt, und die sprachgeschichtlichen 
Probleme sind in ihr oft kaum gestreift oder auch gar nicht berührt; zudem entbehrt sie 
der Syntax. 
Verhftltnismftssig den grössten Zuwachs hat in der vorliegenden 3. Auflage die Dar- 
stellung der Syntax erfahren. Ich hätte einige Kapitel dieses Teiles der Grammatik, nament- 
lich die Lehre vom Satzgefüge gerne noch ausfünrlicher, noch mehr auf die Einzelheiten 
eingehend behandelt, auch in noch weiterem Umfang die syntaktischen Eigentümlichkeiten 
der ausser-ionischattischen Mundarten herangezogen, wenn mir mehr Zeit und mehr Raum 
zur Verfügung gestanden hätte. Dass ich in der Syntax, wo es auf die leitenden Gesichts- 
punkte ankam, überall in erster Linie Delbbück's Arbeiten zu berücksichtigen hatte und 
berücksichtigt habe, versteht sich von selber. Der Kenner wird den Einfiuss dieser Arbeiten 
auf meine Darstellung öfters auch da verspüren, wo Delbrück's Name nicht ausdrücklich 
erwähnt ist. Was ich um so lieber hier erwähne, als ich mich nicht selten gegen Ansichten 
dieses Gelehrten ausgesprochen habe. 
Eine Anzahl von kleineren Zusätzen, die nach Beginn des Druckes gemacht sind, 
mussten als solche gekennzeichnet werden. Sie sind in eckige Klammem [ J gesetzt. 
Leipzig, Juli 1899. 
^) Wer dies nicht glaubt, lese beispiels- 
weise, was im Ergänzungsheft zum 52. Bande 
des Rheinischen Museums S. 3 gelehrt wird : 
,1 Vielleicht setzt aber auch das Adj. cretiue ge- 
radezu bisyllabische Aussprache des ae voraus. 
Ans *αιβί, gen. *aie8i8 wurde aees, aeesis, 
dazu im Adjektiv aus *aiesno8 zunächst aees- 
K. Brugmann. 
nu8; das so entstandene ae war noch deut- 
lich zweilautig, und aus dreisilbigem aees 
ging aeSy aus viersilbigem aeenus ging da/• 
gegen aenus hervor, indem ein e das andere 
aufsog, wie in Piraeus, aus Pirneeus, das 
zweite vom ersten verschlungen ist.*^ Dieses 
Heft ist 1897 erschienen. 

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